Beim Rüdengassenfest 2024 hat die Kür bereits stattgefunden. Die Rüdenpresse hatte ausführlich darüber berichtet. Und mit etwas Verspätung (Verzeiht!) ergeht auch hier die Nachricht an die Öffentlichkeit.
Der Ballon d’Orsch 2023 geht an Luis Rubiales & den spanische Fußballverband RFEF.
Die Entscheidung über die Preisträger 2023 ist bereits vor einem Jahr gefallen, nun updaten wir euch:
Die Jury begründet ihre Entscheidung folgendermaßen:
Spaniens Fußball-Frauen gewinnen im August 2023 erstmals den WM-Titel. Bei der Siegerehrung kennt die Euphorie keine Grenzen. Die Spielerinnen feiern ausgelassen, der Titel ist für alle der größte Erfolg ihrer Karrieren. Zwar galt Spanien vor der WM als Mitfavorit, aber das Binnenklima im Team von Trainer Jorge Vilda galt zumindest als angespannt. Aus Protest gegen die umstrittenen Methoden des Coachs waren vor Jahresfrist 15 Nationalspielerinnen zurückgetreten. Zwölf davon erklärten vor der WM, wieder ins Team zurückkehren zu wollen, doch nur drei Spielerinnen wurden von Vilda auch nominiert. In all der Zeit stand der spanische Fußballverband RFEF unter dem Präsidenten Luis Rubiales immer fest zu seinem Trainer.
Rubiales sollte nun zur auffälligsten Figur bei den Feierlichkeiten auf dem Rasen im Accor Stadium von Sydney werden. Der 46 Jahre alte ehemalige Profi, der seit 2018 Präsident des RFEF ist, herzt seine Spielerinnen vor, während und nach der Siegerehrung. Besonders abgesehen hat er es dabei auf Hermoso, die er erst umarmt, dann am Kopf festhält und ihr schließlich einen Kuss auf den Mund drückt. Womit der eigentliche Skandal ins Rollen kommt. Noch am Abend äußert sich Hermoso auf die Szene angesprochen mit den Worten: „Es hat mir nicht gefallen. Aber was soll ich machen?“
Der Verbandschef ist derweil außer Rand und Band. Auf der Ehrentribüne hatte er sich nach dem Sieg in den Schritt gefasst, wenige Plätze neben ihm sitzt Spaniens Königin Letizia mit ihrer Tochter Sofia, in der Kabine kündigt Rubiales lachend an, Hermoso auf Ibiza heiraten zu wollen.
Rubiales muss sich Fragen zu seinem Verhalten gefallen lassen, die Kritik am Kuss bezeichnet er zunächst als „Blödsinn“. Noch auf dem Weg zum Flughafen in Sydney sagt er: „Wenn zwei Menschen miteinander eine unwichtige Geste der gegenseitigen Zuneigung teilen, darf man dem Mist, der da gesagt wird, keine Beachtung schenken.“Sein Wunsch soll nicht in Erfüllung gehen, am Montag versucht er schließlich die Wogen zu glätten. In einer Stellungnahme des Verbandes wird er mit den Worten zitiert: „Ich muss mich entschuldigen, da führt kein Weg dran vorbei. Und ich muss daraus lernen und verstehen, dass man als Präsident einer so wichtigen Institution wie der RFEF vorsichtiger sein muss, vor allem bei Zeremonien und dieser Art von Angelegenheiten.“
Von Hermoso wird ebenfalls ein Statement herausgegeben, in dem sie angeblich erklärt: „Es war eine völlig spontane, gegenseitige Geste in der großen Freude über den Gewinn der Weltmeisterschaft. Der Präsident und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, er hat sich uns allen gegenüber hervorragend verhalten und es war eine natürliche Geste der Zuneigung und Dankbarkeit.“ Später bestreitet Hermoso, diese Sätze gesagt zu haben. Es gibt den Verdacht, dass die Aussage komplett von der Kommunikationsabteilung des RFEF verfasst worden ist, ohne dass Hermoso sie freigegeben hat.
Die Aufregung um den Vorfall wird immer größer. Quer durch die spanische Gesellschaft werden Rücktrittsforderungen laut. „Was wir gesehen haben, ist inakzeptabel“, sagt beispielsweise der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez. „Und die Entschuldigungen von Herrn Rubiales reichen nicht aus, ich würde sie als unangemessen bezeichnen, deshalb muss er weitere Schritte unternehmen, um klarzustellen, was wir alle gesehen haben.“
Der spanische Fußballverband beruft unterdessen eine Sondersitzung ein. Im Vorfeld verdichten sich die Hinweise, dass Rubiales dort seinen Rücktritt erklären will. Stattdessen nutzt er seine Rede für einen regelrechten Furor gegen alle Kritiker: „Ich werde nicht zurücktreten. Soll mich ein Küsschen in beiderseitigem Einvernehmen hier rausbringen? Ich werde kämpfen bis zum Ende.“ Weiter spricht Rubiales von einer „sozialen Hinrichtung“ und stellt sich als Opfer dar.
Damit eskaliert die Situation komplett. Hermoso gibt in den sozialen Netzwerken ein Statement ab: „Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert“, schreibt die 33-Jährige. Kurz zuvor hatten sich ihre Teamkolleginnen mit Hermoso solidarisiert und erklärt, so lange nicht mehr für Spanien antreten zu wollen, wie Rubiales im Amt sei. Weltweit erfahren Hermoso und ihre Teamkolleginnen Unterstützung.
Spaniens Verband ist in die Offensive gegangen und veröffentlicht Fotos, auf denen Rubiales bei der WM-Siegerehrung von Hermoso angeblich hochgehoben wird und sein Verhalten damit zu erklären sei. Des Weiteren werden rechtliche Schritte angekündigt. Zunächst aber handeln andere: Die Fifa suspendiert Rubiales vorläufig für 90 Tage, und auch die oberste spanische Sportbehörde kündigt Sanktionen an.
Fast einen Monat hat es gedauert. Dann tritt Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales zurück. Endlich. Dachten so viele und hofften, dass die monströse Macho-Macht-Kultur, die den spanischen Fußballverband (RFEF) seit Ewigkeiten fest im Griff hat, gemeinsam mit Rubiales verschwinden würde. Ja, und dann, am Montag, nominierte die RFEF den ersten Frauen-Nationalmannschafts-Kader nach dem vom Rubiales-Skandal überschatteten Weltmeister-Titel – ohne Jenni Hermoso. Um „sie zu beschützen“, wie die neue Nationaltrainerin Montserrat Tome treuherzig erklärte. „Wir stehen komplett an der Seite von Jenni und allen Spielerinnen“, sagte Tome und meinte in Bezug auf Spaniens Spielerinnen im Allgemeinen: „Der beste Weg, ihnen zu helfen, besteht darin, bei ihnen zu sein und ihnen zuzuhören.“ Und in Bezug auf die ausgebootete Jenni Hermoso, die unlängst angekündigt hatte, Rubiales zu verklagen: „Der beste Weg, sie zu beschützen, ist dieser.“
„Um mich vor was zu schützen?“, retournierte die entgeisterte Spielerin, die offenbar nicht darum gebeten hatte. Die aber, so die Vermutung vieler, öffentlich abgestraft werden soll – von der noch immer starken Rubiales-Fraktion im spanischen Verband. Zwar hat die Nicht-Berufung von Hermoso für die anstehenden Nations-League-Spiele in Schweden (22. September) und gegen die Schweiz (26. September) ohnehin nur symbolischen Charakter. Denn die Mexiko-Legionärin vom FC Pachuca zählt zu jenen 39 Spielerinnen, die sich vorläufig weiter weigern, für die RFEF zu spielen. Trotz des Rücktritts von Rubiales, trotz der Trennung vom ebenso umstrittenen Nationaltrainer Jorge Vilda. Eine Haltung, die nahelegt, dass hinter der Verbandsfassade noch immer sehr viel faul ist.
Unter den „Rebellinnen“ sind 21 von 23 Weltmeisterinnen sowie 18 weitere Spielerinnen aus dem erweiterten Kreis. Für sie alle ist klar: Es müssen noch weitreichendere Veränderungen in der RFEF her – personell und atmosphärisch. „Die vorgenommenen Änderungen reichen nicht aus, damit sich die Spielerinnen sicher fühlen, Frauen respektiert werden, Frauenfußball unterstützt wird und wir unser Potenzial maximieren können“, schrieben die Spielerinnen in einer gemeinsamen Erklärung. Der offene Brief liest sich in Teilen wie eine Anklage gegen die Verbands-Offiziellen: „Wir sind fest davon überzeugt, dass starke Veränderungen in den Führungspositionen der RFEF und insbesondere im Bereich des Frauenfußballs erforderlich sind.“
Nun hat es den bösen Schein, als wolle der Verband, als wollten insbesondere die verbliebenen Rubiales-Freunde Rache nehmen und ein öffentliches Exempel statuieren: an Jennifer Hermoso, die den ganzen Skandal „ins Rollen gebracht hatte“ (mit ihrer mutigen Erklärung, dass Rubiales‘ aufdringlicher Kuss auf ihren Mund ohne vorheriges Einverständnis erfolgt war) – und die im Alter von 33 Jahren vermutlich keine allzu lange Zukunft mehr im Nationalteam hat. Doch Hermoso ist nicht die einzige, die den Furor der RFEF zu spüren bekommt.
Zuletzt flatterten Berichte aus Spanien herein, laut derer Teile der Verbandsführung die 39 Boykotteurinnen verklagen wollen. Angesichtgs des neuerlichen Skandals ahnt wohl nicht nur Jennifer Hermoso selbst: „Nichts hat sich verändert.“